BVerwG entscheidet zugunsten von Investoren und Immobilieneigentümern in sog. Milieuschutzgebieten

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 09.11.2021 über die Rechtmäßigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts durch das Land Berlin in einem sog. Milieuschutzgebiet entschieden (Pressemitteilung Nr. 70/2021 vom 09.11.2021). Die Voraussetzung für die Ausübung eines Vorkaufsrechtes wurde aufgrund eindeutiger Gesetzeslage abgelehnt. Diese Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für die Berechtigung zur Vorkaufsrechtsausübung, sondern auch hinsichtlich der häufig durch die Kommunen vom Käufer geforderten sog. Abwendungserklärungen.

Zum Hintergrund: Das Land Berlin und auch andere Städte und Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt, wie bspw. die Stadt München, haben in den vergangenen Jahren vermehrt von der städtebaulichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, für bestimmte Teile / Viertel des Stadtgebietes Erhaltungssatzungen zu erlassen. Diese haben insbesondere das Ziel, die im Umgriff vorhandene Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten (sog. „Milieuschutz“). Den Eigentümern wird es hierdurch erschwert/unmöglich gemacht, Luxussanierungen im Bestand vorzunehmen oder die vorhandenen Wohnungen zu Eigentumswohnungen aufzuteilen und diese teuer einzeln zu verkaufen.

Zudem kommt der Kommune im Falle des Verkaufs von Grundstücken innerhalb von Erhaltungssatzungsgebieten ein Vorkaufsrecht zu. Dies bedeutet, sie können das Grundstück, gegebenenfalls „kaufpreisreduziert“, an Stelle des Investors/Entwicklers erwerben. In diesem Zusammenhang haben sich entsprechend der im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit sog. Abwendungserklärungen etabliert. Werden diese vom Käufer/Investor mit den von der Kommune geforderten Verpflichtungen abgegeben, „verzichtet“ die Kommune im Gegenzug auf die Ausübung des Vorkaufsrechts. Diese Erklärungen beinhalten bspw. den Verzicht auf die Durchführung von Luxussanierungen, die Aufteilung in Sondereigentum oder die Verpflichtung zur Vermietung an förderberechtigte Mietparteien zu „fördergerechten“ Miethöhen.

Argument der Kommune für die von ihr gehandhabte Praxis rund um Vorkaufsrecht und Abwendungserklärungen ist häufig, dass künftig eine erhaltungswidrige Nutzung des Grundstückes bzw. der Baukörper droht/vom Investor beabsichtigt sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diesem Argument der Kommunen nunmehr eine Absage erteilt. Nach dem Baugesetzbuch besteht kein Vorkaufsrecht, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen der Milieuschutzsatzung bebaut ist und genutzt wird und es keine baulichen Missstände aufweist. Maßgeblich für die Beurteilung, ob dies der Fall ist, ist der Zeitpunkt, zu dem die Behörde über den Vorkaufsfall entscheidet. Drohende künftige Nutzungen / Entwicklungen dürfen in die behördliche Entscheidung, ob ihr ein Vorkaufsrecht zusteht, gerade nicht einfließen.

Über die Rechtmäßigkeit von Abwendungserklärungen hatte das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Sache nicht zu entscheiden. Es erscheint jedoch mehr als zweifelhaft, ob bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Vorkaufsrechtsausübung die dargestellten Inhalte derartiger Abwendungserklärungen rechtens sind.