Corona-bedingte (Teil-) Schließungen als Mietmangel

Nicht nur Mieter und Vermieter beschäftigt die Frage der Mietzahlungspflicht bei staatlicher Anordnung von (Teil-)Schließungen aufgrund der Covid19-Pandemie. Inzwischen beschäftigen sich auch mehr und mehr die Gerichte mit dieser Frage.

Das LG München hat mit seiner Entscheidung vom 22.09.2020 erachtet, dass eine Corona-bedingte Schließung einen Mietmangel darstellt. Hierzu nach LG München I, Urteil vom 22.09.2020, AZ 3 O 4495/20, die folgenden Leitsätze:

  1. Kann das Mietobjekt Corona-bedingt aufgrund staatlicher Anordnungen nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden, liegt ein Mangel der Mietsache vor.
  2. Muss das Geschäftslokal aufgrund der staatlichen Anordnungen geschlossen bleiben, kann die Miete um 80 % gemindert werden.
  3. Darf nur ein geringer Teil (hier 25 % der Gesamtfläche) für den Publikumsverkehr geöffnet werden und ist dieser weiter beschränkt, kann die Miete um 50 % gekürzt werden.
  4. Kann die gesamte Fläche wieder geöffnet werden, bleiben allerdings die Beschränkungen des Publikumsverkehrs (eine Person pro 20 qm) bestehen, ist eine Mietminderung um 15 % gerechtfertigt.
  5. Zudem liegt auch eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, deren Rechtsfolge eine Reduzierung der Miete ist, wie sie der gesetzliche Mietminderung entspricht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; es wurde Berufung zum OLG München (AZ 32 U 5742/20) eingelegt.

Das LG Heidelberg (Urteil vom 30.07.2020, AZ 5 O 66/20) und das LG Frankfurt/Main (Urteil vom 02.10.2020, AZ 2-15 O 23/20) haben Gegenteiliges entschieden. Berufungen sind beim OLG Karlsruhe bzw. OLG Frankfurt/Main anhängig.

Die Entscheidung des LG München ist dahingehend interessant, dass schon bisher anerkannt ist, dass öffentlich-rechtliche Beschränkungen als rechtliche Verhältnisse ein Mangel der Mietsache darstellen können, wenn sie sich auf Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage der Sache beziehen, wobei es auf den vereinbarten Geschäftszweck ankommt. Ob Corona-bedingte (Teil-)Schließungen als öffentlich-rechtliche Betriebsbeschränkung unter diese Anforderungen fallen, ist sehr fraglich, da sie zumindest nicht unmittelbar ein „Malus“ der Substanz / Gestalt / Nutzungsgenehmigung der Mietsache und damit der dem Eigentum zugehörigen Sphäre darstellen. Das Gericht hat durch die dem Mieter hiernach zustehenden Minderungsrechte das Risiko einer Corona-bedingten (Teil-)Schließung jedoch der Risikosphäre des Vermieters (Eigentümers) „zugeschrieben“.

Die Entscheidung ist zudem vor dem Hintergrund interessant, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner betreffend Mietverträge erlassenen Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie (lediglich) die Kündigungsmöglichkeit von Mietverhältnissen wegen Nichtleistung von Miete modifiziert und zeitlich begrenzt hat. Man könnte daraus schließen, dass der Gesetzgeber nicht die Mietzahlungspflicht generell modifizieren wollte.

Es ist zu vermuten, dass diese Thematik demnächst den Bundesgerichtshof beschäftigen wird.