#nachhaltiges Bauen: Interview 2 – Ralph Braun
Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen in „jüngerer“ bzw. derzeitiger Stadtentwicklung?
Allen voran ist natürlich der Klimawandel DIE zentrale Herausforderung für aktuelle Stadtentwicklung. Ein Ansatz wäre, Fußgängern bzw. CO2 neutralen Fortbewegungsmitteln klar Vorrang einzuräumen und motorisiertem Verkehr weniger Raum zu geben. Darüber hinaus, und mindestens genauso wichtig, sind soziale Aspekte. Damit meine ich, dass ein besonderes Augenmerk auf die Bevölkerungsentwicklung bzw. -zusammensetzung zu richten ist. Das heißt, dass insbesondere durch die bewusste Durchmischung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen beispielsweise eine Ghettobildung verhindert oder auch einer Vereinsamung entgegengewirkt wird.
Hat dies bzw. sollte sich dies auch bei der Zusammensetzung (beruflicher Hintergrund) eines Stadtentwicklungsbüros bzw. der an einer gelungenen Stadtentwicklung Beteiligten niedergeschlagen?
Ja definitiv! Heutzutage sollte man eigentlich davon ausgehen dürfen, dass Stadtentwicklungsbüros bereits über derartige Kompetenzen verfügen. Beispielsweise ist die Einbindung von Soziologen und Psychologen unerlässlich, um die gerade genannten Herausforderungen im Hinblick auf gesellschaftliche Durchmischung bestmöglich zu bewältigen.
Zum Thema Nachhaltigkeit: Was bedeutet für Sie „nachhaltige Stadtentwicklung?“
Nachhaltige Stadtentwicklung bedeutet für mich auf derzeitige Klimaereignisse zu reagieren, Stichwort: ‚Schwammstadt‘. Das bedeutet, dass das Wasser vor Ort gehalten und natürlich generell der Klimaerwärmung entgegengewirkt werden muss. Außerdem spielt eine nachhaltige Bauweise eine große Rolle; insbesondere ‚craddle to craddle‘. Dies bildet den theoretisch idealen Produktionsprozess als Kreislauf ab, bei dem alle Materialien ohne Qualitätsverlust wiederverwendet werden können. Ganz klar ist ‚nachhaltig‘ auch ein sparsamer Umgang mit Grund und Boden; es kann beispielsweise sinnvoll sein zwei Stockwerke höher zu bauen und dafür mehr Freiflächen zu generieren. Das Ziel muss zudem sein, „graue Energie“ zu behalten; dabei stellt sich im Wesentlichen die Frage, ob vorhandene Gebäude womöglich in der Struktur erhalten und ‚refurbished‘ werden können, anstatt diese abzubrechen. Gebäude sollten einfach generell multifunktional sein und schaltbar in verschiedene Größeneinheiten. Damit meine ich, dass Bürogebäude, bei Bedarf auch als Wohngebäude fungieren können müssen, oder andersherum, und eine Umnutzung mit minimalem Aufwand möglich ist. Die wechselnden Bedürfnisse des Menschen müssen dabei (immer) im Mittelpunkt stehen.
Das Thema ÖPNV-Anbindung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. In jedem Quartier müssen insbesondere verschiedene niederschwellige Angebote gemacht werden. Meines Erachtens muss es in nachhaltigen Konzepten auch immer einen gewissen Anteil an gefördertem Wohnungsbau geben, um niemanden auszuschließen; auch soziale Aspekte sind ein wichtiger Teil von Nachhaltigkeit.
Was sind aus Planungs- / Entwicklungssicht hierbei die größten Herausforderungen?
Aus Planersicht ist es besonders anspruchsvoll, die Interessen aller Beteiligten zu vereinen und dabei trotzdem wirtschaftlich zu arbeiten. Zusätzlich muss aber auch darauf Rücksicht genommen werden, dass das lokale Klima möglichst niedrig gehalten und die Planung vor allem an die Zielgruppen angepasst wird.
Wie integrieren Sie Nachhaltigkeitsprinzipien in die Planung und Entwicklung neuer Quartiere?
Im Prinzip funktioniert das durch eine Zusammenfassung aller vorstehenden Punkte. Es muss immer die aktuelle Situation betrachtet werden; das Abhaken anhand einer Checkliste ist wegen der Vielfältigkeit an ‚nachhaltigen Aspekten‘ nicht möglich. Eine Stadtrandentwicklung von München hat ganz andere Kernthemen als eine Dorfentwicklung in Oberbayern. Wegen der völlig unterschiedlichen Gewichtung von einzelnen Aspekten abhängig vom jeweiligen Gebiet, muss man sich auf den jeweiligen Standort einlassen. Das Quartier muss eigentlich immer situationsabhängig um die Projektidee ‚herum geplant‘ werden.
Haben sie abschließend ein eigenes Projektbeispiel, das nachhaltige Aspekte mit einbezieht?
Ja, wir haben mit GEO PUR eine Projektentwicklung auf dem Land gemacht, die die Anforderung hatte drei Nutzungen im Ortskern zu verknüpfen und auch noch eine verdichtete Bebauung darstellt sowie gleichzeitig den ökologischen Zustand des Quartiers verbessern sollte. Im Vorfeld wurden von verschiedenen Partnern Wünsche formuliert und wir haben dann daraus einen Bebauungsplan konstruiert, um die Ziele festzuzurren.
Ansprechpartner: Dr. Tanja Brunner, Alisa Frese