Neue Regeln für Unternehmen der Lebensmittelbranche – Unlautere Handelspraktiken

Spätestens seit dem 9. Juni 2022 gelten in Agrar-, Fischerei- und Lebensmittellieferketten neue Regelungen zu unlauteren Handelspraktiken. Mit der sogenannten UTP-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/633 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019) beabsichtigt die Europäische Union, einen einheitlichen Mindestschutzstandard zur Bekämpfung unlauter Handelspraktiken in diesem Bereich zu etablieren. Deutschland hat die Richtlinie mit dem Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz, kurz: AgrarOLkG) umgesetzt.

Wer ist betroffen

Geschützt werden sollen Lieferanten von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen mit einem Jahresumsatz von bis zu 350 Millionen Euro gegenüber jeweils Käufern dieser Erzeugnisse.

Verbotene Praktiken

Das AgrarOLkG regelt verschiedene Verbote unlauterer Handelspraktiken in der Lieferkette im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnissen. Dies betrifft verschiedene Praktiken im Zusammenhang beispielsweise mit

  • Zahlungsfristen bei verderblichen und anderen Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnissen,
  • dem Zurückschicken nicht verkaufter Erzeugnisse an den Lieferanten (bspw. Retouren) oder der Abwälzung von Beseitigungskosten nicht mehr verwendbarer Erzeugnisse auf den Lieferanten,
  • der kurzfristigen Beendigung des Vertrages über den Kauf verderblicher Erzeugnisse oder der Abbestellung einzelner Lieferungen,
  • einer Abwälzung von Lagerkosten auf den Lieferanten,
  • der Zahlung für die Listung markteingeführter Produkte oder
  • der Vereinbarung einzelner einseitiger Vertragsänderungen.

Beispiel: Zurückschicken unverkaufter Erzeugnisse (bspw. Retouren)

Nicht unüblich ist beziehungsweise war zum Beispiel die Praxis, dass Lieferanten unverkaufte Ware vom Verkäufer „zurücknehmen“, ohne dass der Verkäufer dem Lieferanten den Kaufpreis bezahlt. Hierzu hat die mit der Überwachung der unlauteren Handelspraktiken nach dem AgrarOLkG befasste Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ausgeführt, dass Vereinbarungen, nach denen betroffene Erzeugnisse, die der Lieferant an den Käufer verkauft und vertragsgemäß geliefert hat, vom Käufer nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt werden müssen, mit dem AgrarOLkG nicht vereinbar sind. Für sämtliche betroffenen Erzeugnisse, die geschützte Lieferanten verpflichteten Käufern verkauft und im vertragsgemäßen Zustand übergeben haben, müsse der geschuldete Kaufpreis müsse vollständig und rechtzeitig gezahlt werden.

Unerheblich sei dabei aus Sicht der BLE, ob der Verkauf unbedingt oder bedingt (z.B. für den Fall, dass der Käufer die gelieferte Ware weiterverkauft) vereinbart wird oder ob Käufer und Lieferant eine Regelung vereinbaren, die ein rückwirkendes Loslösen vom Vertrag ermöglicht (z.B. ein Rücktrittsrecht, für den Fall, dass die Ware nicht weiterverkauft wurde).

Anders könne der Fall bei „Pay-on-Scan“-Modellen liegen sowie bei Handelsvertreter- oder Kommissionsgeschäften, die aus Sicht der BLE nicht vom Anwendungsbereich des AgrarOLkG erfasst seien. Auch ein „Rückkauf“ nicht weiterverkaufter Ware durch den Lieferanten könne nach Auffassung der BLE im Einzelfall mit dem AgrarOLkG vereinbar sein. Hier komme es auf verschiedene Indizien an.

Beschwerdemöglichkeit

Für Lieferanten, die von bestimmten unlauteren Handelspraktiken betroffen sind, besteht die Möglichkeit, vertraulich Beschwerde bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) einzulegen.

Für Fragen stehen wir gern zur Verfügung.


Mario Rokos, LL.M.
Rechtsanwalt

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